Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte – oder wie hier die Vierte …
Besitzansprüche oder „Das dumme Huhn“
Im Grase unter dem Holunder
lag ein Wurm, ein dickerr, runder.
Dies sah ein Vogel, der sodann
den Wurm in seinen Schnabel nahm.
Ein andrer Vogel, ganz schön keck,
nahm ihm den Wurm gleich wieder weg.
Er sprach: „Das ist von dir nicht schön,
ich hab den Wurm zuerst gesehn.“
Ein dritter Vogel kam geflogen
und tönte, „ihr habt mich betrogen!
Mein ist der Wurm, ich bin der Finder,
ich brauche ihn für meine Kinder.“
„Der Wurm ist mein“, schwatzte der Kleiber.
Ihr seid mir schon die richtgen Räuber!
Ich wars, der ihn gesehen hat,
da hinten bei dem Blattspinat.“
„Das ist gelogen“, schrie der Spatz,
„der Wurm, er lag an meinem Platz!“
„Oh nein, oh nein“, klagte der Rabe,
ihr mit Euerem Gehabe!
Ich sah in dort am Wege liegen
und schließlich kann ein Wurm nicht fliegen.“
Die Amsel schlug mit ihren Flügeln.
Sie sprach: „Ihr müsst die Zunge zügeln.
Der Wurm gehört alleine mir,
denn er lag dort, und niemals hier.“
Sie stritten her und stritten hin,
es wurd gezetert und geschrien.
Der arme Wurm, er musste wandern
von einem Platz, nach hier, zum andern.
Angelockt durch das Geschrei
kam das dumme Huhn herbei.
Wenn andre streiten, dachts bei sich,
ist das sehr schön, und zwar für mich.
Und eh die andren recht gesehn
fraß es den Wurm – im Handumdrehn.
Da stürzte sich die Vogelmeute
auf das Huhn, das nichts bereute.
„Den Wurm, den habt ihr nie besessen,
sonst hättet ihr ihn aufgefressen.“
So sprach es, weiter keinen Ton.
Und dann ging es stolz davon.